Forschung - 16.10.2024 - 09:00
Der Ersatz von Hüft- und Kniegelenken gehört in den meisten westlichen Ländern, so auch in Deutschland und in der Schweiz, zu den am häufigsten durchgeführten Operationen. Sie gelten als ein wesentlicher Treiber nationaler Gesundheitsausgaben. Kosten entstehen dabei nicht nur während des initialen Aufenthalts und während der Operation, sondern auch in der Nachbetreuung der Patientinnen und Patienten. Ausserdem führen schlechte Behandlungsergebnisse zu erhöhten Kosten wegen teurer Revisionen und Reoperationen.
Der Einsatz von sogenannten «Patient-Reported Outcome Measures (PROMs)» dient u.a. der Überwachung des Gesundheitszustandes von Patientinnen und Patienten nach einer Operation. PROMs sind standardisierte Befragungen. Sie messen zum Beispiel die gesundheitsbezogene Lebensqualität des Patienten, die Funktionalität der Hüfte oder des Knies, sowie das Schmerzlevel oder mentale Gesundheit. Die Angaben sollen helfen, die Nachversorgung des Patienten besser zu steuern. Bereits Studien mit Krebspatienten haben gezeigt, dass PROMs die Behandlungsergebnisse (Überleben, Notaufnahmen) verbessern und die Gesundheitskosten reduzieren (Basch et al. 2016, Lizée et al. 2019).
Für das sogenannte «Remote Gesundheitsmonitoring» von Patienten nach einer Hüft- oder Kniegelenkersatzoperation ist der Einsatz von PROMs prädestiniert. Denn es kommt meist zu einem Bruch in der Versorgung zwischen dem Operateur bzw. Chirurg und dem nachbehandelnden Arzt. PROM-basiertes Monitoring ermöglicht es, bei unerwünschten Behandlungsergebnissen frühzeitig einzugreifen und individuelle Therapieanpassungen vorzunehmen.
Für die Patient-Reported Outcome Measures (PROMs) wurden verschiedene Fragebögen eingesetzt, um die folgenden Kriterien zu erheben:
Die Daten wurden mit der Software «Hearbeat ONE» von Heartbeat Medical erhoben und in den beteiligten Kliniken aufbereitet. Die Hauptergebnisse im Überblick:
Kosteneffektivität der Intervention 12 Monate nach der Operation:
Verbesserung der Behandlungsergebnisse 12 Monate nach der Operation in fast allen Gesundheitsdimensionen:
Reduktion der Kosten 12 Monate nach der Operation im Vergleich zur Regelversorgung:
Das Projekt kam zum Schluss, dass durch eine stärkere Verankerung der Patientenperspektive individuellere Behandlungswege gestaltet und gleichzeitig Ressourcen effizienter genutzt werden können. Aus den Ergebnissen mit den deutschen Kliniken lassen sich auch praktische Implikationen für die Schweiz ableiten:
Das Forschungsprojekt «PROMoting Quality» wurde vom deutschen G-BA Innovationsfonds mit 3.5. Millionen Euro gefördert. Die Studienautoren haben evaluiert, ob ein digitales «Remote Gesundheitsmonitoring» mithilfe von PROMs kosteneffektiv ist – also die Behandlung verbessert und Kosten und Arztbesuche reduziert. Die Patienten der Interventionsgruppe füllten die Befragungen in den Monaten 1, 3 und 6 nach der Operation aus. Bei Auffälligkeiten im Genesungsprozess wurden sie von ihrem Krankenhaus kontaktiert.
In die Studie, die in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl Gesundheitsökonomie, -Politik, und Management an der School of Medicine (Med-HSG) und dem Projektkonsortium unter Führung der Technischen Universität Berlin (TU Berlin) entstanden ist, flossen die Informationen von 2697 Hüft- und 3110 Kniegelenkersatzpatienten aus neun deutschen Spitälern zwischen 2019 und 2020 ein. Von ca. 20% der Patientinnen und Patienten (Versicherte der Krankenkassen BARMER und der BKKen) wurden ausserdem die Abrechnungsdaten von einem Jahr vor bis zu einem Jahr nach der Operation auf Patientenebene hinzugefügt.
Am Projekt beteiligt sind die School of Medicine (Med-HSG) der Universität St.Gallen und der Konsortialführer die Technische Universität Berlin (TU Berlin), der Softwarehersteller Heartbeat Medical, die Krankenkassen BARMER und BKK Dachverband, das Institut aQua sowie die Kliniken Charité – Universitätsmedizin Berlin, Diakovere Annastift, Helios ENDO-Klinik Hamburg, Schoen Klinik Neustadt, Schoen Klinik Hamburg Eilbek, Sana Kliniken Berlin-Brandenburg, RoMed Kliniken Prien am Chiemsee, VAMED Ostseeklinik Damp und die Waldkliniken Eisenberg.
Die Ergebnisse des Projekts im Journal «PLoS Medicine»:
https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1004459
Weitere Studien im Rahmen des Projekts:
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